Interaktion Bauingenieurwesen – Geologie – Umwelttechnik Risiken, Schadensfälle und Verantwortung
Am 12. Marz 2018 fand in Wartberg/Aist ein Intercitymeeting des Rotary Clubs Aisttal-Hagenberg statt. Dort fand sprach Herr Em.o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Dr.h.c.mult. Hon.-Prof. Heinz Brandl über die Risiken, Schadensfälle und die Verantwortung des Bauingenieurwesens.
Seine Ingenieurleistungen (Planung, Berechnung, Bauausführung, Kontrolle und Monitoring, Sanierungen etc.) betreffen Straßen, Autobahnen, Eisenbahnen, Stützbauwerke, Rutschungen und Hangsicherungen, Tunnel- und U-Bahnbau, Brücken, Dämme, Kraftwerke, Hochwasserschutzanlagen, etc.
Unter den von ihm geretteten Bauwerken befinden sich unter anderem die Autobahnbrücke in Kufstein, die Highland Towers in Kuala Lumpur und der schiefe Turm von Pisa.
Kurz gesagt: Dieser Mann kennt sich aus!
Der Vortragende sprach vor allem über das Fachgebiet der „Geotechnik“. Da die Geotechnik stets mit den oft kleinräumig unterschiedlichsten Ungleichmäßigkeiten des Untergrundes konfrontiert ist, zählt sie zu den Ingenieurwissenschaften mit den höchsten Risiken.
Nun zum Vortrag:
- Seine Erklärungen begannen mit der Aussage, dass 80 % der Ingenieursleistungen unsichtbar sind, da sie unter dem betreffenden Bauwerk wirken. Hier wird oft gespart, „weil man das ja nicht sieht“. Hier beginnt das „Spiel mit der Angst“.
- Semi-empirische Dimensionierung = rechnerische Kalkulierung: Oft gibt es nur mangelnde Bodenkontrolle bei der Fundierung und unzureichende Baugrunduntersuchungen. (Zitat: „Jede Bohrung ist nur ein Nadelstich, es wird dann interpoliert und zu Tode gerechnet“)
- Auch wies er darauf hin, dass es Umweltkatastrophen wie Erdbeben und Hochwässer schon immer gegeben hat. „Es gibt keine absolute Sicherheit, es ist ein Irrsinn, wenn man das der Bevölkerung vormacht, das gilt auch für den Hochwasserschutz.“
- „Es wird immer die Frage gestellt: Wer ist schuld? Man kann nicht immer einen Schuldigen suchen, sonst findet man überhaupt keine Experten mehr.
- Zum Thema Hochwasser-Dämme legte er folgendes dar:
- „Dämme unter einer Höhe von 15 Metern sind kritischer zu betrachten als Dämme über 15 Metern, denn diese unterliegen strengen Kontrollen gem. internationaler Regelwerke.“
- „In Europa gibt es 10 000 km Hochwasserschutzdämme, deren Sicherheit aus dem letzten Loch pfeift.“
- Bei Hochwasserschutzdämmen gibt es drei dominierende Versagensformen:
- Überströmen
- Durchströmen
- Unterschwemmung (wird bei jeder Flut schlechter)
- Dazu gibt es noch die weitaus gefährlicheren Formen:
- Geländebruch (Hang rutscht ins Becken)
- Hydraulischer Grundbruch (dabei wird das Wasser durch das Hochwasser auf der einen Seite des Dammes durch den Grundwasserleiter unter dem Damm durchgedrückt und 20 bis 60 Meter vom Damm entfernt wieder aus dem Boden gedrückt. Dabei wird artesisch Wasser in so manche Häuser gedrückt. Das ergibt dann vulkanartige Feinsedimenthügel. Dieses Material fehlt dann unterhalb des Dammes und es wird bei jedem Hochwasser schlechter. Um dem vorzubeugen müssen Dichtwände nachträglich in den Damm eingefräst werden. Das sind Betonwände, die von oben mit speziellen Fräsen durch die grundwasserführende Schicht getrieben werden. Passiert übrigens gerade beim Machlanddamm. (Auch bei mobilem Hochwasserschutz ist die Unterströmung ein großes Problem.)
- Er brachte auch ein Beispiel eines Hochwasserdammbruches an der Save im Bereich Rajevo Selo im Grenzgebiet Herzegowina Bosnien, Serbien, Kroatien. Der Dammbruch kam durch unzureichende Kenntnis der geologischen Verhältnisse und unzureichende Wartung des Dammes zustande kam. Es kam zu einer furchtbaren Überschwemmung.
- Im Bereich der Überströmbereiche sind Evakuierungspläne zu erstellen, das wird oft noch vernachlässigt, da man sich zu viel auf die Dämme verlässt.
- Auch der Biber ist ein Versagensfaktor eines Dammes. Herr Brandl sprach davon, dass männliche Biber, die ein Weibchen spüren, alles durchbeißen um zu der Dame des Herzens zu gelangen. Er zeigte Bilder von durchgebissenen Biberschutzgittern und durchlöcherten Dämmen.
- Später sprach Herr Brandl noch über diverse Staubecken zur Energiegewinnung. Als Beispiele brachte er die Talsperre im Maltschtal, die nicht voll genutzt werden darf und wo ein nachträgliches Stützgewölbe angebracht wurde und die Talprerre im Kaunertal, wo ein ganzer Berghang ins Staubecken rutschte, da er „nasse Füsse“ bekam.
- Auch die Problematik von Speicherteichen für die Beschneiung in den Alpen und die Einsackung der Innbrückenpfeiler in Kufstein brachte er als Beipiele für geologisch unvorhergesehene Beschaffenheiten.
- Er erwähnte auch, dass durch die Regulierung der Flüsse eine fortschreitende Eintiefung in manchen Abschnitten stattfinden würde, an die man bei den Regulierungen noch nicht gedacht hatte.
- Bei der abschließenden Fragestellung durch das teilweise hochrangige Publikum war eine Aussage für mich die wichtigste: „Wir betonieren nur dort, wo ein Bauherr oder Politiker es will.“
Abschließend kann ich sagen, dass ich es schade finde, dass aus unserer Region keine Verantwortlichen für die Hochwassersituation an dem Meeting teilnahmen.
Wörtliche Zitate Herrn Brandls wurden kursiv und unter Anführungszeichen gesetzt.
Astrid Doppler für den Verein Dammfrei